Tunnelprojekt "Susan-Tunnel"

Bei dem „Susan-Tunnel“ handelt es sich um einen Neubau des Abwasserdüker Überruhr. Es soll das vorhandene Abwassersystem nach der Fertigstellung ersetzen, da der alte Düker aufgrund des Alters und der ungewissen Dichtheit nicht länger betrieben werden kann. In einem Düker wird Mischwasser im üblichen Temperaturbereich transportiert. Auftraggeber dieses Projektes ist die Stadtwerke Essen AG welche wiederum die Firma Wayss & Freytag Ingenieurbau AG für den Bau des Tunnels engagiert hat.

Zur Erneuerung des Dükers soll ein Stahlbetonrohr DN 1800 im Vortriebsverfahren von der Wuppertaler Straße aus, unter der Ruhr, den Fundamenten der Brücke der Marie-Juchacz-Straße und der Bahnstrecke S 9 bis zu einem östlich des Gymnasiums Überruhr vorhandenen Drosselbauwerk des Ruhrverbandes vorgepresst werden. Die Lage des Projektes wird in der nachfolgenden Abbildung verdeutlicht. 

 Die Gesamtlänge der Neubautrasse beträgt ungefähr 612 m, weshalb auf einen Zwischenschacht verzichtet wird. Die Besonderheit hierbei ist, dass der Startschacht sowie der Zielschacht 25 bis 30 Meter tief in das Erdreich einbinden. Die Trasse startet zunächst als eine Gerade und ab der Station 511,212 m wird ein Radius von 430 m gefahren.

Aufgrund einer kurzen Basislinie im Startschacht von 10 m und einem geplanten Tunnel über einer Länge von 600 m ergibt sich eine 60-fache Verlängerung der Basis. Durch einen geringen Durchmesser von DN 1800 werden die horizontalen Refraktionseinflüsse verstärkt. Um den Tunnel in seiner Lage und Genauigkeit zu stabilisieren, eine unabhängige Kontrolle zu gewährleisten und den Refraktionseinflüssen zu minimieren sowie das Verlängerungsverhältnis zwischen dem Startschacht und der Tunnellänge zu verkürzen, findet bei der Station 450 m eine Kreiselmessung statt. 

Hierbei wird die Kreiselmessung von einem Vermessungstrupp der Firma DMT mit einem Gyromat 3000 durchgeführt. Ziel dieser Kreiselvermessung ist die Orientierung des Tunnelpolygons an der gemessenen Station zu korrigieren. Weicht der bis dahin gemessene Polygonabschnitt in seiner Orientierung ab, so wird an der kreiselkorrigierten Polygonseite das Polygon abgeknickt.

Kalibrierungsmessung

Vor dem Beginn der Azimutbestimmung innerhalb des Tunnels ist das Orientierungsoffset des Referenznetzes zu bestimmen. Die Genauigkeit des erhaltenen Azimutes hängt dabei nicht nur von der Gerätegenauigkeit ab, sondern ist ebenfalls von der Genauigkeit der Stand- und Zielpunkte sowie der Zentrier- und Anzielgenauigkeit abhängig. Mit einer Kalibrierbasislinie mit einer Ausdehnung von mehreren hundert Metern, werden dabei die Einflüsse der Stand- und Zielpunkt Genauigkeit sowie die der Anzielgenauigkeit minimiert.
Demzufolge wurde eine Kalibrierlinie mit einer Ausdehnung von 165,76 m in der Nähe des Zielschachtes eingerichtet. Mittels einer Netzmessung und einer anschließenden Ausgleichungsrechnung wurden für die beiden Punkte K1 und K2 präzise Koordinaten berechnet. Für die Kalibrierlinie wurde ein stabiler Messpfeiler, bestehend aus einem Stahlträger installiert. Für den Schutz vor Witterung, Wind und direkter Sonneneinstrahlung wurde zusätzlich ein Schutzhaus für den Messpfeiler errichtet, sodass bei einer Messung äußere Einflüsse und Faktoren minimiert werden (siehe linkes Bild). Aus dem rechten Bild geht dabei die Lage der eingerichteten Kalibrierlinie hervor.


Am Tag vor der Kontrollvermessung und dem Einsatz des Gyromat 3000 im Tunnel, fand eine Voreichung des Instruments von dem Vermessungstrupp von DMT mit Hilfe der ausgeglichenen Koordinaten der Kalibrierungslinie statt. Die dabei resultierenden Ergebnisse sind im nachfolgenden linken Bild einzusehen.

Um die Ergebnisse des Protokolls der Voreichung analysieren zu können, werden in der rechten Abbildung die Winkelverhältnisse dargestellt.
Der Winkel Gamma ist hierbei die Winkeldifferenz zwischen geografisch Nord und Gitternord.

Als Endergebnis der Voreichung ist der mittlere Verschwenkungswinkel von 0,8 mgon angegeben. Das heißt es wurde eine Verschwenkung zwischen dem gemessenen (t-Gyro) und dem berechneten (t-Netz) Winkel festgestellt. Dieser Wert ist nicht signifikant und bedeutet, dass das tachymetrisch gemessene Netz mit dem des Gyromat übereinstimmt.


Kreiselvermessung des Tunnelpolygonzuges

Nach einer ausreichenden Akklimatisierung im Tunnel wird der Vermessungskreisel über dem entsprechenden Standpunkt zentriert, horizontiert und die Arretierung des Kreiselkörpers gelöst. In Abhängigkeit der geografischen Breite des Einsatzortes ist mit Einschwingzeiten in die Nulllage von bis zu 20 Minuten zu rechnen. Ist die Ruhelage des Kreisels erreicht, kann die Azimutablesung auf den Zielpunkt bezogen erfolgen. Hierfür kann die automatische Zielerfassung des Tachymeters genutzt werden.

Für die Kreiselmessung im „Susan-Tunnel“ wurde, wie in der nachfolgenden Abbildung dargestellt ist, folgender Messaufbau geplant und durchgeführt. Bei dem Messaufbau ist zu bedenken, dass jede einzelne Richtungsmessung mit dem Gyromat 3000 in etwa 10 Minuten dauert. Dementsprechend ist es logistisch nicht möglich von jedem Tunnelstandpunkt aus hochpräzise Richtungsmessungen durchzuführen, da für jeden Zielpunkt mindestens 3 Messungen mit dem Kreisel durchgeführt werden. Demzufolge ist für das geplante Kreiselpolygon mit den insgesamt 12 Richtungsmessungen, ein Zeitintervall von 120 Minuten einzuplanen. Dabei fließen die 20 Minuten der Einschwingzeit pro Standpunkt sowie der Umbau auf den anderen Standpunkt nicht mit ein.

Bei dem gewählten Messaufbau für den Vermessungskreisel entsteht somit eine in etwa 298 m lange Basis, das entspricht der direkten Verbindung von dem Punkt 1104 zum Punkt 1400. Für dieses gemessene Polygon existieren nun hochpräzise Richtungsmessungen. Das bis zu dem Punkt 1104 aufgefahrene Offset bleibt jedoch erhalten und kann nicht bestimmt werden.

Parallel zu der Kreiselmessung wurde eine Kontrollvermessung des Rohrstrangs im bekannten Schema durchgeführt. Nach einer Ausgleichungsrechnung liegen für die tachymetrische Netzmessung nun ausgeglichene Koordinaten der Tunnelstandpunkte vor. Die Koordinaten der zwei Standpunkte bei der Kreiselmessung werden nach einer erfolgreichen Messkampagne mit dem Vermessungskreisel für die Auswertung an DMT übermittelt.

Die bei der Auswertung resultierenden Ergebnisse sind in dem von DMT überlieferten Protokoll (siehe nachfolgendes Bild) einzusehen. Dabei muss angemerkt werden, dass es zu einer Fehlbenennung gekommen ist, der Punkt 1100 entspricht dem Stützpunktprisma 1400. 

In der Spalte 15 des Protokolls werden die Differenzen der ermittelten Richtungsbeobachtungen zwischen dem Kreisel und dem Tachymeter berechnet. Dabei fällt auf, dass bei der Visur von dem Standpunkt 1101 zu dem Punkt 1400 eine Differenz von -445,4 mgon berechnet wurde. Dementsprechend liegt in dem tachymetrischen Tunnelpolygon diese markante Abweichung vor. Die drei weiteren Differenzergebnisse befinden sich unter einem Milligon. 

Daraus kann geschlussfolgert werden, dass für die tachymetrische Netzmessung in dem „Susan-Tunnel“ bei der Kontrollvermessung, minimale bis keine Refraktionseinflüsse sowie systematische und zufällige Fehler der Winkelmessung gewirkt haben.

Damit eine prägnante Aussage zu den Messergebnissen der Kreiselkampagne getroffen werden kann, erfolgt im direkten Anschluss der Kreiselmessung im Tunnel eine Rückeichung auf der Kalibrierlinie. Mit der Rückeichung wird im Nachhinein der hochsensible Vermessungskreisel überprüft und zusätzlich dabei der Verschwenkungswinkel ermittelt. Das Ergebnisprotokoll ist im nachfolgenden Bild einzusehen.

In dem Protokoll wird ein mittlerer Verschwenkungswinkel der Rückeichung von 2,2 mgon angegeben. Anschließend wird mit dem Winkel der Voreichung ein abschließender Verschwenkungswinkel von 1,5 mgon für die Kreiselkampagne im „Susan-Tunnel“ angegeben.

Demzufolge wurden die ermittelten Richtungsbeobachtungen mit einem Verschwenkungs-winkel von 1,5 mgon bei einer Standardabweichung von 1 mgon beobachtet.

Auswertung

Um eine Aussage über die Verbesserung des Tunnelpolygonzuges, durch die korrigierte Orientierung in dem gemessenen Abschnitt durch die Kreiselmessung treffen zu können, wird zunächst die tachymetrische Kontrollvermessung separiert ausgewertet. 

Hierfür erfolgt nach eine Ausgleichungsrechnung der Netzmessung. Dadurch, dass bei der Kreiselmessung die Resultate, die Richtungsbeobachtungen und Azimute zu den entsprechenden Zielpunkten sind, haben diese keinen Einfluss auf die Höhenveränderung. 

Bei der Ausgleichung der Kontrollvermessung ohne das Einbeziehen der Kreiselergebnisse wurde die größte Standardabweichung in dem Zieltafelprisma 1200 mit 26,4 mm berechnet. Bei der Betrachtung der Fehlerellipsen (siehe linkes Bild) ergibt sich die typische Zunahme des Punktfehlers.

Werden die Ergebnisse der Kreiselmessung bei der Netzausgleichung mit berücksichtigt, fällt dies bei der Diagnose des Ausgleichungsprotokolls und der maximal gefundenen Standardabweichung auf. Hierbei wird die maximale Standardabweichung ebenfalls in dem am weitesten entfernten Punkt, dem Zieltafelprisma, mit 3,0 mm gefunden. Demnach ist das eine 8,8-fache Minimierung der Standardabweichung des Punktes.

Bei der Betrachtung der Punktfehler in der nachfolgenden rechten Abbildung werden extrem verkleinerte Fehlerellipsen erkannt, welche das Ergebnis der Ausgleichung repräsentieren. Zusätzlich geht daraus der positive Einfluss der Kreiselmessung auf das Tunnelpolygon hervor.

Im Endeffekt wird durch die Kreiselvermessung die Basislinienlänge, welche am Anfang 10 m betrug, um die Strecke des Kreiselpolygonzuges erweitert. Demnach liegt nun eine Basislinienlänge von insgesamt 308 m vor, was eine 30,8-fache Verlängerung entspricht.

Diese neue Basislinienlänge wird in das Verhältnis zur Tunnellänge von 450 m (Entfernung vom Standpunkt im Startschacht zu dem Zieltafelprisma) gesetzt. Bei einer Standardabweichung von 3 mm an dem Punkt 1200, ergibt das einen Orientierungsfehler von 2 mm im Startschacht.

Bei einer Abstandsberechnung der beiden maximal entferntesten Punkte, den Zieltafelprismen, wird ein Abstand von 1,71 cm zu den beiden Ergebnissen berechnet. Für einen zusätzlichen visuellen vergleich wurden von beiden Ausgleichungsvarianten die Spurpunkte erzeugt und in Navigationssoftware eingelesen. 

Dabei entspricht der Graph mit den grünen Punkten das Resultat der Netzausgleichung ohne die Kreiselmessung miteinzubeziehen. Der Graph mit den gelben Punkten stellt die berechnete Spur der Netzausgleichung mit den Richtungsbeobachtungen und Azimuten der Kreiselvermessung dar. Hierbei wird ein maximaler Abstand der beiden Spuren von 4 mm erkannt.

Abschließend kann gesagt werden, dass die tachymetrische Netzmessung nur minimaler Refraktionseinflüssen unterlag. Da im Vorfeld keine Aussage getroffen werden kann, ob und wie stark die Messung mit einem Tachymeter den Refraktionseinflüssen im Tunnel unterliegt, ist eine unabhängige Kontrolle der Orientierung des Tunnelpolygons mit Hilfe eines Vermessungskreisels gerade bei längeren Tunnelprojekten zu empfehlen.